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Aufsätze (Auswahl)
Beiträge in Sammelwerken und Lexika
Gutachten
Diskussionsbeiträge
Am
Abend des 28. Oktober 1988
beging meine Hochschule in
ihrem Audimax einen heiteren
Festakt "333 Jahre
Universität Duisburg".
Ich hatte eine akademische
Festrede "333 Jahre
Fortschritt" vorbereitet
und wollte sie standesgemäß
im Gehrock vortragen. Kurz vor
dem festlichen Abend wurde mir
beschieden, meine Rede sprenge
wegen Überlänge den Rahmen.
Sie war dann ganz, was ich nur
ziemlich war: ungehalten.
Immerhin erschien sie ein
halbes Jahr später in einer
Uni-Broschüre. Ein Exemplar
der Mini-Auflage dürfte heute
kaum noch aufzutreiben sein.
Daher sei sie Freunden der
Komik in der Duisburger Universitätsgeschichte
zugänglich gemacht, und zwar
als pdf-Datei hier. |
(Leserbrief in der Rheinischen Post Nr. 59 vom 10.03.2001) |
Ahnungen
Da haben wir wieder so ein weasel word: Innovation. Es hat die Wissenschaft und die Wirtschaft, vor allem die Wissenschaft von der Wirtschaft gründlich unterwandert. Es nistet sich überall ein. Innovation eint die Konservativen und die Fortschrittlichen. Trefflicher als der Pressesprecher der Alma mater Rostochiensis (gegr. 1419) kann man es kaum formulieren: “Die Universität Rostock - aus Tradition innovativ”. Daß “Innovation” für alles und jedes herhalten
muß, wäre an sich nicht weiter schlimm. Und der Wettlauf um Begriffsdiffusion belebt ja auch das Geschäft: Jeder will Zweiter sein. (Es sei denn, die invention gelingt ihm selbst).
Was die Sache problematisch macht, ist das subliminale Unterwandern, das heimtückische Einschleichen des Begriffs “Innovation”. Sein Benutzer erliegt der wahnhaften Idee, etwas unerhört Neues vorzutragen. Der Hörer oder Leser, beeindruckt von der unerhörten Neuigkeit, verspürt sogleich die selbstwerthebende Wirkung des Begriffs und benutzt ihn hinfort selbst so oft wie möglich. Die epidemische Verbreitung des Begriffs ist garantiert - Rudolf Seyfferts Ideal der “Werbeweiterpflanzung”, kommunikationspathologisch gewendet.
Ich kann das Wort “Innovation” nicht mehr hören, muß es aber hören. Ich kann es auch nicht mehr lesen, muß es aber lesen, da es sich in alle Texte einschleicht. Zum Weghören und Weggucken ist es immer schon zu spät. Erste Ahnungen steigen auf: Der Begriff “Innovation” steckt an, er ist infektiös, er hat Virus-Charakter - und ein Anti-Innovationsvirus ist nicht in Sicht.
Alltagsbefunde
An einem ganz normalen Arbeitstag ergeht es einem Hochschul-Werktätigen wie mir so: Als erstes berichtet das
Weckradio, die Innovation aus dem Hause X habe den zweiten Elchtest nicht bestanden. Aus der Frühstückszeitung erfährt man etwas über das riesige Innovationspotential der Fusion von Y und Z. Auf der Fahrt zum Arbeitsplatz grüßen Innovations-Verheißungen einer politischen Partei von Plakatwänden. Bei der Öffnung der Briefpost fällt einem die Einladung zum
XXXIII. Kongreß der deutschen Marktforschung entgegen, der unter dem Motto “Kreativität und Innovation” Vorträge über “Neue Methoden der Innovations-Begleitforschung” und “Die Innovationsspirale als Herausforderung für originäre Ansätze der Trendforschung” in Aussicht stellt. Sodann präsentiert sich in einem Prospekt die neue Zeitschrift “European Journal of Innovation Management”
(One innovation you can be part of, right from the
start). Schließlich fällt der Blick auf einen ansprechenden Verlagskatalog - aus dem Hause
InnoVatio... Nach der Postdurchsicht sind noch Telefonate und etwas Textverarbeitung fällig. (Hoffentlich sind PC und Faxgerät auch mit dem innovativen Telefon-Adapter von Hicom verbunden!) Was ist für meine folgende Vorlesung angekündigt? “Betriebstypen-Innovation”! Früher war ich glücklich, die studiosi zu schöpferischer Neukombination typenbildender Elemente anzuspornen. Meine eigenen Entwürfe eines rollenden Taschenbuch-Automaten und eines Champagner-Zustelldienstes haben mich ehedem mit Stolz erfüllt. (Schenk 1991, S. 166) Jetzt ängstige ich mich. Ständig fallen mir weitere Infektionen ein: Stelle ich in meinen Vorlesungen nicht permanent innovative Kooperationsformen, innovative Logistik- und innovative Präsentationslösungen vor? Auch Service-Innovationen, das Wunschbild der Innovationsfunktion von Handelsmarken und selbst das Innovationsmanagement, für das von Bochum bis Freiberg schon Lehrstühle eingerichtet wurden, haben sich in meinen Lehrstoff eingeschlichen. In wie viele Kladden mag die 6-Felder-Matrix mit Markt- und betrieblicher Innovation sowie mit Produkt-,
Prozeß- und Service-Innovation Eingang gefunden haben! Reichlich spät fällt mir nun auf, daß ich - als Lehrender selbst infiziert, dabei nicht einmal Zweiter im Diffusionswettlauf - zahllose junge Menschen fortgesetzt infiziert habe. Nach der Vorlesung hält der Normalarbeitstag noch folgende Normalüberraschungen bereit: Beim One-stop-shopping begegnet man dem Armband-Chronometer mit Weltzeituhr, einer echten(!) Innovation, sowie dem total innovativen elektrischen Käsehobel. Daheim überfällt einen jemand, der seine unzulässige Telefonofferte seit der letzten Fortbildung für partnership marketing hält, mit seinem äußerst innovativen Anlagemodell für ein Bananenschiff. Er wird abgelöst von einem Werber für ein INNOVATIO Allfinanz & Immobilien Franchise-System: “Nutzen Sie die Fülle der phantastischen Erfolgs-Chancen, mit denen Sie INNOVATIO auf die Überholspur bringt.” Sind die Anlage- und Überholspurwerber abgehängt, darf man zur Tagesschau keine Minute zu früh kommen, will man nicht zu der neuesten Telekom-Innovation überredet werden. Mit der Bettruhe könnte der Innovationsstress enden - wären da nicht die Normalalpträume von deprimierenden Innovationen an meiner Reformuniversität...
Frühe Warnzeichen
Dabei war ich als Handelsforscher gewarnt vor Innovationen in der Wissenschaft. Als Beobachter der unerhört innovativen Selbstvermarktungslehre, welche - dank Herbert Gross vor allem - in der alten Bundesrepublik die traditionsreiche Handelswissenschaft in einem Siegeszug sondergleichen geschlagen hat, erkannte ich von Anfang an das Wüten der Innovationsinfektion: Aus “Verkaufsleiter-Clubs” wurden “Marketing-Clubs”; aus der “Einführung in die Lehre von der Absatzwirtschaft” (1968) wurde seit der dritten Auflage (1970) “Marketing”; aus dem Gutenbergschen “absatzpolitischen Instrumentarium” wurden die “Elemente des Marketing-Mix”; das “Handwörterbuch der Absatzwirtschaft”
(HWA) mutierte 21 Jahre später (1995) zum “Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl.”
(HWM). Auch Bindestrich-Innovationen bieten ein viröses Tummelfeld. In einem Lexikonbeitrag der gehobeneren Art findet sich unter “Innovation” in nur anderthalb Textspalten folgende bescheidene Auswahl ein:
Prozeß-, Produkt-, Verfahrens-, Sozial-, Basis-, Folge-, Verbesserungs-, Radikal- und
Inkremental-Innovationen. (Trommsdorff 1992, S. 459f.) Gleich nach der Wende versuchten Wessis, die renommierte Handelshochschule Leipzig aus dem Jahre 1898 radikal-innovatorisch in eine “Hochschule für Marketing” umzufirmieren. Allerdings fand der Innovationsvirus in der resistenten (oder renitenten?) Leipziger Bildungsstätte, die sogar den real existierenden Sozialismus überlebte, (noch?) keine Eindringpforte. Herzlichen Glückwunsch! Zum 100-jährigen Bestehen.
Was das Innovationsmarketing unter Innovation versteht, hätte mich auch stutzig machen sollen: “Eine Innovation liegt dann vor, wenn entweder der Hersteller ein für ihn neuartiges Produkt entwickelt und anbietet oder wenn das Produkt aus Sicht der Verwender neuartig ist”. (Sattler; Schrader 1995, Sp. 996) Na klar: keine Innovation im Handel! Der “Wertkost”-Fruchtsaft wäre demnach für die Edeka als Anbieterin der Eigenmarke nie, sondern allenfalls für unsere Großmutter als Verwenderin eine Innovation gewesen. Welch schöne Logik der innovativen (Vermarktungs-)Forschung: ein und dasselbe Erzeugnis gleichzeitig Innovation und Nichtinnovation! Mir war auch nie entgangen, daß manch innovative Idee zur falschen Zeit oder am falschen Ort erprobt wurde und scheiterte, etwa der Automatenladen Ende der 60er Jahre in Wiesbaden oder die fahrenden Läden im Berlin der 30er Jahre, von Gottlieb Duttweiler und Konrad Mellerowicz bei einem Spaziergang um den Schlachtensee ausgeheckt. Und wie lange ist eine Innovation eine Innovation? Aber die Innovations-Zweifel reichten noch nicht aus.
Als methodologisch aufgeschlossenem Menschen waren mir die ideologischen Tricks aus Lenins Lehre der qualitativen Begriffe und sogar der Krypto-Normativismus, der von den Mannheimer Methodologen so gründlich entlarvt wurde, vertraut. Wie man mit positiv oder negativ aufgeladenen Begriffen agitiert; wie man mit wichtigtuerischen Begriffsübernahmen aus entlegenen Wissensgebieten die eigene Fachwissenschaft “penetriert”, ohne daß jemand den Bluff erkennt; wie man mit Entlehnungen aus dem Lateinischen, Japanischen und Englischen oder mit Abkürzungen die Fachsprache innovativ-ideologisch durchsetzt, das alles war mir lange geläufig. In meiner Sprachvirologie hatte ich hübsche Beispiele identifiziert: den “klassischen Markenartikel”, die “Distribution” über “outlets”, den “fraktalen” Bluff eines innovatorischen Trendforschers oder Innovationskürzel wie
DPR, ECR, CM, SCM, CR usw. mit ihrem höchst effizienten
Early-Adaptor-Infektionspotential. Nun schwant mir die Heimtücke der infektiösen BWL-Kürzel: Sie treiben nur in den Köpfen ihr Unwesen - im Gegensatz zu den Techniker-Kürzeln. Wenn Mercedes-Benz-Ingenieure von ABS,
ASR, BAS und ESP in der A-Klasse schwärmen, dann steckt das alles auch drin in der A-Klasse! Aber daß die semantischen Techniken epidemisch-virös wirken, das erkenne ich erst seit kurzem.
Diagnose
Human- und Tiermedizin lehren uns, die Augen vor Virusinfektionen nicht einfach zu verschließen, sondern sich gründlich an die Diagnose von und auf die Suche nach neuen Viren zu machen. Analogie-bewußt habe ich daher vier Diagnose- und Suchexperimente unternommen. Das erste Experiment führte zu keinem brauchbaren Ergebnis: Im Deutschen Universal-Wörterbuch des Dudenverlags (2. Aufl., 1989) stieß ich unter “Innovation
(Wirtsch.)” auf “Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, bes. die Einführung eines neuen Produkts od. die Anwendung eines neuen Verfahrens”. Das konnte es nicht sein. Darunter ließen sich “self-scanning” oder “electronic commerce” ohne weiteres subsumieren, ebenso der dernier cri der Prozeßkostenrechnung im Handel, die schon Ende der 20er Jahre diskutiert wurde - nur nicht epidemisch-infektiös. Das zweite Experiment erwies sich als glatter Fehlversuch: Medizinische und psychologische Nachschlagewerke schwiegen sich über den Innovationsvirus gänzlich aus. Das dritte Experiment verlief recht befriedigend: Das Durchkämmen meiner lehrstuhleigenen Literaturdatenbank
HAWIST, die ich vormals selbst leichtfertig als Innovation ausgegeben hatte, zeitigte einen Sucherfolg. Nach Aufruf des Stichworts “Innovation” wurden nicht weniger als 106 Zeitschriftenaufsätze ausgewiesen, allein für die letzten acht Jahre. Richtig fündig wurde ich beim vierten Experiment mit Hilfe des Internet: Von den vielen verfügbaren Suchmaschinen habe ich nur drei bemüht, a)
AltaVista.digital.com, b) fireball.de und c)
lycos.de. Das reichte. Auf die query zum Stichwort “Innovation” wurden am 16.4.1998 folgende epidemiologische WWW-Ergebnisse mitgeteilt:
a): 1.050.750 documents, von “Global Innovation master’s program recruits students” bis “HPM,
Sheet: Unparalleled Innovation”;
b): 19.313 Treffer, Worthäufigkeiten: 30.421, von “Innovation und Umwelt” bis “Sonntags-Zeitung Nachrichten”;
c): 55.571 Webseiten. Nach 30 Minuten Durchblättern wurde mit Eintrag Nr. 500 “Innovation: Organization for the Promotion of Energy Tech” die Suche beendet.
Mag sein, daß sich das Resultat sehen lassen kann: Die globale Innovations-Infektion ist jedenfalls verifiziert. Auf die vertiefte Innovations-Suche im Internet mögen sich andere begeben und -zigtausende von links anklicken - und hoffentlich wieder gesunden!
Über meine Forschungsergebnisse bin ich keineswegs glücklich. Im Gegenteil, ich bin betroffen und gestehe, daß mich beides, die Infektion unschuldiger junger Menschen und die Selbstinfektion mit dem Innovationsvirus, sehr belastet. Die Enttäuschung über die vergebliche Hoffnung, der Befall mit dem Innovationsvirus möge auf meinen Rhein-Ruhr-Dunstkreis beschränkt sein, tut ein übriges.
Therapie
In dieser Situation habe ich mir, mangels eines Anti-Innovationsvirus, eine ablenkende Therapie auferlegt: Ich wende mich wieder mehr Schöngeistigem zu, nicht zuletzt, um endlich zu Tiefschlaf ohne jene Normalalpträume zurückzufinden. Dabei hat mir die knappe Erzählung von einem Kaiser bestens geholfen. Der Kaiser, der für eine Prozession alle seine Kleider ausgezogen hatte, wurde von den Kammerherren wie von den Leuten auf der Straße ob seiner großartigen neuen Kleider bejubelt, bis ein kleines Kind sagte: “Er hat ja nichts an, er hat ja nichts an!” “Und dann spreizte er sich noch stolzer, und die Kammerherren trugen die Schleppe, die garnicht
dawar!” (Andersen 1839, S. 194) Eine ähnlich starke und wohltuende therapeutische Wirkung erhoffe ich nun von einer anderen schöngeistigen Lektüre. Ich kann sie kaum erwarten - die Beiträge zu “Innovation im Handel” in diesem Jahrbuch.
Literatur
Sattler, H./Schrader, St.: Innovationsmarketing. In: Tietz, B./Köhler, R./Zentes, J. (Hrsg.), Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart 1995, Sp. 996-1008.
Schenk, H.-O.: Marktwirtschaftslehre des Handels, Wiesbaden 1991. (Innovationsvirus-infiziert!)
Andersen, H.C.: Märchen und Erzählungen (1839), übertragen aus dem Dänischen von Werner Wolf, Odense 1983.
Trommsdorff, V.: Innovation. In: Diller, H. (Hrsg.), Vahlens Großes Marketinglexikon, München 1992, S. 459f.
(Veröffentlicht in: Handelsforschung 1998/99. Jahrbuch der Forschungsstelle für den Handel Berlin (FfH) e.V., hrsg. von Volker Trommsdorff, Wiesbaden 1998, S. 1-6)
(nach oben)
Zu Beginn des Wintersemesters 1978/79 schlug der Verfasser dem damaligen Geschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer und Leiter des Handelsressorts, Herrn Herbert Schenk (nicht verwandt und nicht verschwägert), ein neuartiges gemeinsames Lehr- und Lernexperiment vor: Man möge den Versuch wagen, einmal im Monat je zehn Handelsunternehmer und Handelsstudierende zu einem Generalthema pro Semester an einen „runden Tisch“ zu bringen. Solche Diskussionsrunden unter der Bezeichnung „Unternehmergespräche“ müssten doch ein anregendes, wenngleich ungewohntes Forum zum beiderseitigen Erfahrungs- und Gedankenaustausch zwischen Handelspraxis und Handelswissenschaft bieten. Um dem einen oder anderen Handelsunternehmer die mögliche Scheu vor den „heiligen Hallen“ der Wissenschaft zu nehmen und die studentischen Teilnehmer an den genius loci der kaufmännischen Selbstverwaltung heranzuführen, sollten die „Unternehmergespräche“ in den Räumen der IHK stattfinden. Der Namensvetter stimmte dem Vorschlag ohne Zögern zu. Alsbald wurden die ersten vier Sitzungen anberaumt. Die Kammer übernahm die Einladungen an zehn Einzelhändler auf der „Unternehmerseite“, der Verfasser wählte zehn junge Handelsakademiker für die „Studentenseite“ aus.
Für die Gesprächsrunden der ersten Semester wurden zunächst weit gefasste Themen gewählt, Themen, denen die Studierenden im Unterricht bereits begegnet waren: Strukturfragen des Handels, Kooperation und Konzentration, Ladenschluss. Nach anfänglichem behutsamem Abtasten und den verständlichen Vorbehalten, die sich geradezu einstellen müssen, wenn die klare und eindeutige Kaufmannssprache auf die eher abstrakte und manchmal hochgestochene Sprache der „Theoretiker“ trifft, erwärmte sich sehr rasch das Gesprächsklima. Da beide Seiten sich erkennbar mit Ernst und mit Liebe den thematischen Problemen (und ihren Lösungsmöglichkeiten) näherten, entstand alsbald gegenseitiges Vertrauen. Eine verblüffende Mitteilungsbereitschaft wuchs vor allem auf der Unternehmerseite. Mit eigenen Erfahrungen hielt man auch vor „freundlichen Mitbewerbern“ nicht zurück. Aus der Präsentation der „gläsernen Taschen“ konnten schließlich alle Beteiligten Nutzen ziehen.
Im Verlaufe der Jahre – Organisation und Gesprächsleitung waren für fast 20 Jahre längst in die bewährten Hände der IHK-Geschäftsführerin Astrid Schulte übergegangen – wurden die „Unternehmergespräche“ zu einer festen und beliebten Einrichtung. Insgesamt wurden in den 23 Jahren „Unternehmergespräche“ nicht weniger als 44 Themenkreise besprochen. Sie reichten von Standardthemen wie Standort-, Preis- und Kommunikationspolitik oder Aus- und Weiterbildung im Handel über ausgefallene Spezialthemen wie Ladendiebstahl und Diebstahlprävention, Marktforschung für Klein- und Mittelbetriebe oder Handelspsychologie bis hin zu hochaktuellen Themen wie E-Commerce oder Kundenbindungsmanagement. Die erstaunliche Offenheit und das Engagement in den Gesprächsrunden beruhte auch auf einem kleinen Regie-Trick: Es wurde stets auf eine bunte Mischung der Unternehmer und Unternehmensrepräsentanten aus verschiedenen Betriebsformen, Branchen und Unternehmensgrößen geachtet. Die Direktoren der beiden Duisburger City-Warenhäuser brachten ihre Erfahrungen ebenso ein wie der Inhaber eines „Tante-Emma-Ladens“, der Repräsentant einer namhaften Unternehmensgruppe des Lebensmittelhandels, die Geschäftsführerin eines Textilkaufhauses, der Betreiber eines Internet-Buchhandelsversands, die Inhaber eines Beschläge- oder eines Haushaltswarenfachgeschäfts usw. Praktisch nützliche Anregungen gingen dabei von beiden Seiten des Tisches aus. Sei es, dass ein Lebensmitteleinzelhändler aufgrund einer studentischen Bemerkung in seinem Supermarkt eine Bio-Abteilung einrichtete, sei es, dass ein Student aus der Gesprächsrunde heraus für eine Blitzkarriere angeheuert wurde (nämlich zum Warenhausgeschäftsführer binnen anderthalb Jahren!) – es wären viele kleine oder größere Erfolgsstorys zu vermelden.
Die „Unternehmergespräche“ haben positive Auswirkungen in vielfältigen Formen auch auf den Lehrbetrieb gezeitigt. So wurden durch sie beispielsweise mehrere empirische Untersuchungen angeregt, in welche Studierende immer mit einbezogen wurden. Erwähnt seien nur Imageanalysen für ein Moerser Möbelhaus und für ein Textilkaufhaus in Neukirchen-Vluyn, eine Verhaltensstudie über Passanten vor Presseregalen in SB-Warenhäusern, dynamische Gruppeninterviews zum Thema „Convenience Food“ oder eine breit angelegte demoskopische Untersuchung über das Obst- und Gemüseangebot in der Duisburger Innenstadt. Manche Diplom- oder Staatsarbeit wurde von Teilnehmern der Unternehmerseite mit Rat und Tat begleitet. Last but not least ist ein pädagogischer Lerneffekt zu konstatieren: Wo sonst wenn nicht in den repräsentativen Räumen der Kaufmannschaft und unter fachlicher Doppelmoderation könnte der akademische Nachwuchs Diskussionskultur und –disziplin nachhaltiger lernen? Universitätsseminare in allen Ehren. Nur – den kritischen und zugleich respektvollen Gedankenaustausch mit Praktikern können sie nicht in gleichem Maße schulen.
Am Ende kann das Fazit nur lauten: Das Lehr- und Lernexperiment „Unternehmergespräche“ ist vollauf gelungen. Rund 60 Unternehmer und 400 Studierende haben an den 120 Sitzungen teilgenommen. Ihnen allen sei rückblickend nochmals gedankt! Die Duisburger „Unternehmergespräche“ sind ein Stück Kammer- und Hochschulgeschichte geworden. Wünschenswert wäre, dass die Idee des beiderseitigen Wissens- und Erfahrungstransfers auch in Zukunft in Realität umgesetzt würde. Da die Idee der „Unternehmergespräche“ nicht patentiert oder sonst wie geschützt ist, warten wir mit dem großen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter gern auf das „scharenweise Auftreten von Nachahmern“...
(Erschienen unter dem Titel "Studium & Praxis. 120 Mal mit Erfolg: Unternehmergespräche". In: Mittendrin. Magazin für die Mitglieder der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Ausgabe 2002, S. 23.)
urbanum Duisburg Mehr scheinenWie beruhigend! „Alle Maßgeblichen“ sind mit dem Namen „urbanum Duisburg“ und mit dem Rätsellogo einverstanden. Als Unmaßgeblicher ist man weniger einverstanden. Dankbar, dass man sich von dem denglischen Sprachbalg „Kasinoliner“ getrennt hat, wird man aufs Neue sprachlich geschockt. Anstatt über eine schlichtere Namensgebung nachzudenken, tragen ein paar Kreative noch dicker auf. Gemäß der Marketing-Regel „Mehr scheinen als sein“ verpassen sie dem neuen Zentrum einen latein-deutschen Angebernamen: „urbanum Duisburg“. Als Unmaßgeblicher weiß man, was meist hinter der Kreativität von Kreativen steckt. So gibt es in Stuttgart längst ein virtuelles Projekt „urbanum“ zur Begegnung von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise. Auch überrascht der Zeitpunkt der Namensenthüllung nicht, spaltet die Vision „Ruhrbania“ derzeit doch die Mülheimer Bevölkerung. Als Unmaßgeblicher argwöhnt man, dass die spiralförmigen Pfeile des Logos allerlei unzutreffende Assoziationen hervorrufen können: viel Wirbel um Nichts; blau-graue Pechsträhnen; Mercator-Implosion; Federn des Pleitegeiers; strahlige Staubblätter-Fädchen des Echten Nelkenwurz (geum urbanum) usw. Und wenn eine Duisburger Bürgerin mit „urbanum“ einen Kleiderladen assoziiert, hat sie vielleicht auch nicht ganz Unrecht: ein Laden mit des Kaisers neuen Kleidern! Kein Grund zur Namensfeier also. Man darf gespannt sein, wie die Namensgebung für die „urbanum“-Einzelteile weiter geht. Es bieten sich beispielsweise an: „Zocker-Zentrum (ZZ)“, „Philhadom DU“ oder „DUReMi-Halle“ und „panes in DUrbano“ für die Zentrumsbäckerei. Der Namensvorschlag eines Unmaßgeblichen für das Gesamtkommerzwerk kommt leider zu spät: „casa ludi“.
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Rheinische Post Duisburg Nr. 227 v. 30.9.2003 |
Lokalglossen für die Duisburger
Ausgabe der Rheinischen Post
Und
dann sind da noch die
HOS-Glossen in der Duisburger
Ausgabe der Rheinischen Post, inzwischen
ca. 2500 Stück! Auch wenn
ihre Verbreitung kaum
über die
Niederrhein-Metropole hinaus reicht,
bereiten mir alle Lokalglossen ungemein
Schreibfreude und - wie
ich höre - manchem Leser auch Lesefreude. Alle
HOS-Glossen können gar nicht
wiedergegeben werden, auf dieser
Seite nur ein
paar ältere. Die seit
Mitte 2009 erschienenen Glossen
finden Sie fast
vollständig auf der
Seite Prognostika
- mit einigen
Ausnahmen:
Die besonders feinen Leckerli sind
nämlich nur dem Büchlein
"Stadtrandnotizen" (Anno-Verlag,
Rheinberg 2013) zu entnehmen.
Peter Klucken, der
RP-Kulturredakteur, hat ihm am
9.8.2013 diese hübsche Rezension
gewidmet:
Auch für den Düsseldorfer Nord-Boten hat die Rahmer Korrespondentin eine herzliche Würdigung über HOS und seine liebe Frau (mit pädagogischem Hintergrund) verfasst. Sie ist hier unter StadtrandNord-Bote300813S.8.pdf nachzulesen.
DIENSTAG 8. APRIL 2008 TOTAL LOKAL Immer
diese Fremdwörter! |
MlTTWOCH 16. APRIL 2008 TOTAL LOKAL Schülerbrief
zur Stadt-Zukunft |
FREITAG 25. APRIL 2008 TOTAL LOKAL Idee
vom Erlebnisweg |
Samstag
26. April 2008 TOTAL LOKAL Problemlösen
mit Körper und Geist |
MONTAG 28. APRIL 2008 TOTAL
LOKAL |
DONNERSTAG 1. MAI 2008 TOTAL LOKAL Kämpferisches
von Studierenden |
FREITAG 9. MAI 2008 TOTAL LOKAL Abendlyrik
beim Heltorfer Schloss |
MITTWOCH 14. MAI 2008 TOTAL LOKAL Irritierende
Betriebsmedizin |
DIENSTAG 20. MAI 2008 TOTAL
LOKAL |
SAMSTAG 24. MAI 2008 TOTAL
LOKAL HOS |
FREITAG 19. SEPTEMBER TOTAL LOKAL Bitte nichts Toughes! Warum
muss ich mich immer
häufiger über die
Verhunzung unserer Sprache
ärgern? Dabei meine ich
gar nicht die kleinen
Unachtsamkeiten, die jedem
mal un- terlaufen könnn.
Richtig hübsch finde ich
sogar einen kauzigen
Schumachermeister, über
den mein Freund eine
Geschichte schreiben will,
wie er per Fax mitteilt.
(Da hat sich der
siebenfache Formel
l-WeItmeister aus Kerpen
bzw. Vufflens am Genfer
See wohl in seinem Gehirn
die Pole Position
gesichert). Nein, es sind
auch nicht sinnvolle Anglizismen.
Kopfweh bereitet mir neben
der zunehmen- den
Rechtschreibschwäche die
absurde Überflutung mit
Englisch-Zumutungen.
Wissen Sie, was das
Duisburger UCI-Kino
derzeit spielt?
Unter anderem: Wanted; The
Dark Knight; Superhero
Movie; The Rage und
Babylon A.D. (mit Vin
Diesel als toughem
Söldner!) .Am selben Tag
lese ich, dass sich in
England die Spilling
Society von 1908 für eine
Vereinfachung der
Orthographie einsetzt,
beispielsweise für 2b or
not 2b statt to be or not
to be. Wenn bei uns
demnächst ,4by! für
Komma vorbei! auftauchen
sollte, dann werde ich gar
nichts mehr lesen! Auch
nichts Toughes! |
MITTWOCH 24. SEPTEMBER TOTAL LOKAL Fußläufig oder wegläufig? Für
die Stadtentwickler
gefährdet die Ansiedlung
neuer Lebensmittelmärkte
außerhalb der Zentren die
fußläufige Versorgung
der Bevölkerung" ,
heißt es in der jüngsten
IHK-Zeitschrift
"Thema
Wirtschaft"
.Fußläufige Versorgung
(statt zu Fuß erreichbare
Geschäfte)? Vielleicht
ein Sprachhäppchen für
Sebastian Sick. Wobei man
sich allerdings fragt, ob
die zwei Millionen Käufer
sein Buch "Der Dativ
ist dem Genitiv sein
Tod" auch wirklich
gelesen haben; denn noch
immer sind die
sprachlichen Alltagswege
mit zeitgleich (statt
gleichzeitig), zeitnah
(statt aktuell),
nichtsdestotrotz (statt
trotzdem oder
nichtsdestoweniger) und
tausend anderen
sprachlichen
Stolpersteinen
gepflastert. Die
fußläufige Versorgung
hat übrigens sprachliche
Verwandte. Beispielsweise
schreibt eine Inserentin
über ihre Huskyratten,
die sie in Pflege geben
möchte, sie seien
"nicht direkt
handgängig". Und in
Günter Grass' Tanzliedern
heißt es: "Kein
Hegel steht uns Kopf als
Retter, kopfständig ist
allein das Wetter."
Fußläufig. Handgängig.
Kopfständig. Wer mag,
fühle sich damit
sprachlich nahversorgt.
Ich finde das eher
wegläufig. |
TOTAL
LOKAL Talkshow-Gäste
liefern meist Psychogramme
ab, um die sie jeder
Psychotherapeut beneiden
wird. Wie bei Sigmund
Freud auf der Couch. Nur
im Sitzen. Je länger die
Promis sich im verbalen
Eigenglanz sonnen, desto
feinere Charakterbilder
bauen sich im aufmerksamen
Zuschauer auf. Er kennt
bald seine
TV-Pappenheimer. Dieser
Tage kündigt ein
Hamburger Talkmaster als
Gast den Grandseigneur der
Talkshows an. Nennen wir
ihn einfach Ego. Ihm
konnte man auf dem
Bildschirm jahrelang nicht
entgehen, und nach seinem
vorgeblichen TV-Abschied
kann man es immer noch
nicht. Im vergangenen Jahr
zog er mit seiner
Lebensleistungsschau durch
die Lande. Selbstredend
hat er auch ein Duisburger
Akzente-Festival
eröffnet. Da er sich mit
Promis schmückt wie ein
russischer General mit
Orden und nach eigenem
Bekunden wenigstens im
Mittelpunkt stehen wollte,
wage ich ein privates
Experiment: Auf meiner
heimischen TV- Couch
fertige ich während der
Hamburger Talkshow eine
Strichliste an. Am Ende
der Sendung hat der
Grandseigneur 222 Striche
für sein Lieblingswort
"Ich" erreicht.
Eine tolle Leistung, alter
Ego! |
DONNERSTAG 2. OKTOBER TOTAL LOKAL Die
Umweltzone - Ab
1. Oktober hat
Duisburg seine Umweltzone.
Auf 550 Straßen sollen
rund 800 Exemplare des
neuen Verkehrszeichens
270.1 plus Zusatzzeichen
aufgestellt werden. (Wenn
800 man reichen!) Sie
markieren Anfang und Ende
der Umweltzone. Dazu hat
das Amt für Umwelt und
Grün 25 "FAQ's"
(= häufig gestellte
Fragen, einverstanden?)
mit Apostroph und Antworten
ins Internet gestellt.
Bestimmt wünschen sich
alle Bürger zu ihrem
Wohle eine Minderung der
Feinstaub- und Stickoxidbelastung.
Und dass die Stinker unter
den Kraftfahrzeugen und
alle, die nicht über die
Feinstaubplakette (auch
so'n Wort!) verfügen,
spätestens ab 15.
November mit 40 Euro
Bußgeld und einem
Flensburg-Pünktchen
bestraft werden, werden
auch viele begrüßen.
Doch wundere ich mich
über die Lage unserer
Umweltzone: ein
nord-südlicher Streifen
von Harnborn bis
Angerhausen, nur
rechtsrheinisch. Vor dem
Haus zähle ich auf der
rechtsrheinischen Rahmer
Rennpiste an einem
normalen Vormittag zwölf
Motorfahrzeuge je Minute.
Das sind 720 in der Stunde
und 10080 am Tag - nur in
der Zeit zwischen 6 und 20
Uhr. Den Feinstaub dürft
ihr auch künftig
bußgeldfrei hier
abblasen. Zum Wohle! |
SAMSTAG 11. OKTOBER 2008 TOTAL LOKAL
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DIENSTAG 28. OKTOBER TOTAL LOKAL Die
Renner der Saison |
Mittwoch 5. November 2008 TOTAL
LOKAL |
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