Foto: G. Dreißig
Der Vorleser i.R. meint:
Das
meiste, was man so in einem wörterbestimmten Leben
schreibt, bleibt aus gutem privaten Grund
unveröffentlicht. Zuerst sind es Spickzettel, dann
Liebesbriefe, später Einkaufslisten, im Alter
bloße Gedächtnisstützen. Aber ein privates
Schriftstück, dessen Veröffentlichung nie
beabsichtigt war, möchte ich wegen seines
Lesereizes hiermit doch dem weltweiten Netz
anvertrauen: mein "Vierzehntagebuch" von
einer Reise nach Japan
BLICK IN
MANDELAUGEN
Es entstand im März 1971. Genau 40 Jahre später
wird es gleichzeitig zu einer Verbeugung vor den von
Erdbeben-, Tsunami- und Nuklearkatastrophen
heimgesuchten Menschen. Hier die gescannte
42-Seiten-Fassung des Originals als pdf-Datei.
Satire 1 (zu den 25. Duisburger
Akzenten, nachfolgend)
Satire 2
(zu Sprachviren im Alltagsdeutsch)
Ein kleiner Test
Satire 3 (The new Euro language)
Goldene Zeiten an
der FUB?
Satire 4 (Drei neue City-Center)
Deutsch
als Papageiensprache
Wer weiß wohin? Eine Bürgerumfrage
Das Institut für Dämoskopie, Meerbusch/New York, hat eine Zufallsauswahl von Bürgern in unserer Innenstadt zum Motto der 25. Duisburger
Akzente befragt. Hier einige Antworten auf die Frage "Was fällt Ihnen zu dem Motto
www.wer weiß wohin ein?":
Irmingard G, Logopädin: "Sehr seltene Sprechhemmung, sehr selten! Die meisten meiner Patienten bleiben auch bei ‚weiß‘ und ‚wohin‘
stecken."
Prof. Dr. Volkhard B., Hochschullehrer: "Das frage ich mich auch bei der Debatte um Fusion oder Kooperation mit der Essener Uni. Was die
Urteilsbildung so erschwert, ist die Dialektik meiner Kollegen. Wer privat für Fusion ist, plädiert öffentlich für Kooperation und vice versa, wobei jeder auf Erfahrungswissen zurückgreift und man nie weiß, ob sie
oder er gerade privat oder öffentlich denkt."
Ülü Y., Taxifahrer: "Ich immer weiß wohin. Un wenn einmal nicht weiß, dann weiß Fahrgast."
Dr. iur. Reinhold R., Rechtsanwalt: "Das kommt darauf an."
Gabi G., Putzfrau: "Dat is für mich und mein Gatte kein Thema. Wir fahren jedes Jahr nach Palma. Nächstes Jahr vielleicht nach Dubai. Soll
auch nich schlecht sein, sacht mein Chef."
Hanns-Maria H., Pastor: "Mein lieber Sohn. Wir sind alle auf der Suche. Aber letztlich ist die Wohin-Frage keine Frage des Wissens, sondern
des Glaubens. Glauben Sie mir."
Christian L., Schüler: "‘Wer weiss wohin‘ für ‚www‘? Echt krass! ‚www‘ heißt doch ‚Wahnsinns-Web-Weib‘."
Elke B., Studienrätin: "Ach, mir graust es schon, wenn ich nur die Akzente-Plakate sehe: ‚weiss‘ tausendfach falsch geschrieben – mit ‚ss‘
statt mit ‚ß‘. Das ist gleich doppelt falsch, falsch nach der alten und falsch nach der neuen Rechtschreibung! Da fragt man sich eher, wohin es noch mit unserer Kulturverwaltung führen wird."
Icke H., Tourist: "Kieken Se sich doch mal die Nachmittags-Talkshows bei den Privaten an oder Big Brother oder so’n jemischten
Damen-Herren-Boxkampf, dann wissen Se, wo et hin
jeht: Zurück zur Natur, aber schnelle."
Kurt M., Ratsherr (SPD): "‘Wohin‘? Ich denke mal: in die Mitte. Aber fragen Sie dazu ruhig unseren Kanzler. Der weiß wohin!"
Katharina
B.-K., Ratsfrau (CDU): "‘Wohin?‘ Ich denke mal: in die Mitte. Aber fragen Sie dazu ruhig Frau Merkel. Die weiß wohin!"
Inga
P.-R., Ratsfrau (Die Grünen): "‘Wohin?‘ Ich denke mal: in die Mitte. Aber fragen Sie dazu ruhig Joschka. Der weiß wohin!"
Klaus-Peter K., ehem. Ratsherr (FDP): "‘Wohin‘ spielt bei uns keine Rolle. Wir bleiben nach allen Seiten offen."
Antonio Z., Müllmann: "Sie stellen vielleicht Fragen. Wenn wir nicht wüßten wohin, dann sähe es in unserer Stadt aber anders aus!"
Hubert G., Wertpapierberater: "Was meinen Sie, wie oft am Tag ich von verunsicherten Kunden gefragt werde, wohin sie ihr Geld stecken sollen.
Natürlich empfehle ich unseren Hausrentenfonds Dodeka-R00. Da weiß ich zwar auch nicht, wohin der sich entwickeln wird. Aber ich weiß dann, wohin ich mich entwickeln werde."
Frank Z.: Webmaster: "Soll wohl nach Kultur klingen, diese www-Übersetzung. Aber vom Net haben diese Kulturbanausen keine Ahnung; denn da
fehlt das Suffix in der Internet-Adresse."
Heinzbert H., Stadtplaner: "Wohin es mit unserer Stadt geht, haben wir in kühnen Entwürfen schon mehrfach aufgezeigt. Denken Sie nur an unsere
Modelle Innenhafen, Marientor, Multi Casa, Shoptainment City oder Zocker-Zentrum (anstelle der hinfälligen Mercatorhalle). Von urbanicom e.V., Bonn, haben wir schon den Ersten Potemkin-Preis dafür bekommen."
Wilhelm P., Partenreeder: "Ich fürchte, für uns Kleinen bleiben auf dem Rhein nur noch die Talfahrten übrig."
Sieglinde K., Schriftstellerin: "Das ist die Lieblingsfrage der deutschen Dichter! Nur - wenn ich das in diesem Kontext so sagen darf - die
Akzente haben sich verschoben: Novalis suchte den Weg zur blauen Blume, Heinrich Heine den deutschen Michel, und heute suchen wir das Arbeitsamt."
Annemarie S., Buchhändlerin: "Das kann ich Ihnen genau sagen. Ich weiß es nämlich dank Ute Ehrhardt: Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse
überall hin."
Ullrich W., Bestatter: "Über das Werweißwohin machen wir uns normalerweise keine Gedanken. Sorgen bereiten uns nur die Discounter in unserer
Branche."
Norbert S.-W.,
Eventberater: "‘werweißwohin‘ - eine Mega-Super-Inventschen für ein Kulturfestival! Damit können Sie alles vermarkten. Bin ganz
neidisch, ehrlich gesagt."
Dr.rer.nat. Justus E., Genforscher: "Sie sind nicht der erste, der mich das fragt – von wegen ‚Wohin geht die Reise mit der Genforschung?‘.
Ich kann Ihnen nur eins sagen: jedenfalls nicht nach Duisburg."
Otmar W., Fußballer: "Dat is auch unsere Top-Frage. Aber absolut. Am Anfang der Saison genauso wie am Ende. Nur die Antworten sind nich
dieselben. Unser Trainer meint immer rauf, und spielen tun wir dann runter."
Dr. phil. Martin-Immanuel H., Philosoph: "Interessante Fragerichtung! Ich könnte damit eine ganz neue Schule inaugurieren. Bislang haben die
Philosophen immer in die andere Richtung gefragt: wer weiß woher? Interessant! Werde darüber nachdenken lassen. Vielen Dank für Ihre Anregung!"
Natalie G., Schülerin: "Von Kultur versteh ich nix. Aber so’n ganzes Festival im Netz – das wäre doch das
Hippste!"
Wolfgang-Wieland A., Erster Bratschist: "In die Duisburger Akzente sind wir ja immer eingebunden. Musikalisch ausgedrückt haben wir da bislang
immer harmonisch und con brio mitgespielt. Aber bei einigen Leuten, die uns unter das Dach einer Spielhölle bringen wollen, muss wohl ein Missverständnis vorliegen – wir sind doch keine Glücksspieler! Dagegen werden
wir jedenfalls ziemlich disharmonisch anspielen und con fuoco."
© Hans-Otto Schenk
Alltagsdeutsch als Papageiensprache
Eine Sprachfloskel-Epidemie erfaßt die Nation
In seinem köstlichen Beinahe-Dialog "Claus Peymann und Hermann Beil auf der Hasenheide (alias Sulzwiese)"
läßt Thomas Bernhard die euphorische Rede Peymanns über seine Vision, den ganzen Shakespeare in einer einzigen Fünfstundenkonzentration zu spielen, nur knapp durch Beil unterbrechen. Peymann: "Hören Sie mich
Beil hören Sie mich". Beil: "Natürlich". Peymann: "Immer kommen Sie mir mit Ihrem ‚natürlich‘. Mein Gott Beil
sagen Sie doch einmal ‚künstlich‘ und sagen Sie es meinetwegen jeden Tag millionenmal aber sagen Sie nicht mehr ‚natürlich‘ es gibt nichts Natürliches mehr."
Was Bernhard hier aufgespießt hat, ist ein Paradebeispiel für die gegenwärtige epidemische Ausbreitung von
Sprachfloskeln in der Redeweise der Deutschen. Dass sich immer wieder und meist zu Recht heftiger Streit an Entwicklungen des geschriebenen Deutsch entzündet, ist bekannt. Kritik an Entwicklungen des gesprochenen
Deutsch hingegen ist kaum wahrzunehmen. Wenn überhaupt sprachkritische Zeitgenossen aufbegehren, dann sind es kritische Deutsch-Leser, kaum aber kritische Deutsch-Hörer. Dass die Deutschen indes schon weit
vorangekommen sind auf dem Wege in die Sprechverblödung, wird kaum bemerkt. Die Floskelviren gelangen heimtückisch-unmerklich über immer mehr Ohren in immer mehr Gehirne. Allein ein paar so genannte Kreative
in der Werbewirtschaft wissen es und sind glücklich darüber, dass ihre akustische Werbung so unmerklich und
so unentrinnbar wirkt: "Ich bin doch nicht blöd!" So rasch weghören kann man gar nicht wie Sprachviren ins
Gehirn eindringen. Thomas Bernhard sei daher Dank, dass er die Aufmerksamkeit wenigstens auf eine solche Sprachfloskel gelenkt hat, die als gesprochenes Bühnenwort eigentlich nicht überhört werden kann - vielmehr
(virös): nicht eigentlich.
Wenn hier Klage zu führen ist, dass die Sprachfloskel "natürlich" sich wie viele andere epidemisch verbreitet,
dann sei vorab geklärt, welche Sprachkritik nicht beabsichtigt ist. Nein, die vielbeklagten "denglischen"
Sprachunarten der Sprachpanscher ("Eventkalender", "Infotainment", "in 2001", "im Markt" usw.) sind ebenso
wenig gemeint wie der pseudo-akademische Redebluff mit lateinischen und griechischen Versatzstücken,
sprachlich verwertetes Halbwissen ("cora publico") oder die pure Unlogik in unserer "immer internationaler"
werdenden Sprache. Es geht auch nicht um das billige Sprachtalmi in den Talkshows mit ihrer "Streitkultur" oder
in Managerseminaren mit ihrer "Unternehmenskultur", nicht um multikulturell verbrämte Lehnwörter und auch
nicht um den "hippen" Slang der Heranwachsenden, der von einigen Herangewachsenen gescholten, von anderen als Beispiel für die lebendige Sprache gepriesen wird und im übrigen unbekümmert weiterwuchert.
Gemeint ist auch nicht die alberne Neigung mancher Erwachsener, der "Kids" neue Sprachkleider sogleich mit
zu tragen ("hypercool", "echt krass" usw.) Gemeint ist etwas viel Sublimeres und Erschreckenderes: Zu
beklagen ist die epidemische Überfrachtung der deutschen Rede mit Floskeln, die jeden Tag millionenmal wiederholt werden und die Sprache insgesamt aushöhlen, ohne dass es die Menschen merken. Nun kennt jede
lebende Sprache Floskeln und Leerformeln. Das Ärgernis der jüngeren epidemischen Floskelschwemme liegt darin, dass durchaus gefällige und bekannte Redewendungen, selbst aus der deutschen Hochsprache, durch
unablässige Verwendung zu abgegriffenen Floskeln werden und ihre motorische Wiederholung offenbar gänzlich unbewußt abläuft. Wer von dem einen oder anderen Floskelvirus angesteckt ist, der wird ihn nicht mehr
los. Er steckt fortwährend andere an, die ihrerseits die Virusinfektion ihrer Sprache nicht bemerken und sie weiter verbreiten, bis schließlich, nein "letztendlich
" große Teile der Gesellschaft von ihr erfaßt sind. Wer Ohren hat zu hören, wird bemerken, dass uns in der Form dieser Papageiensprache eine neuartige humane
Maulseuche überkommt. Sie ist zumindest durch vier Eigenarten gekennzeichnet.
Zum ersten enthalten die epidemischen Sprachfloskeln meist angeberische Elemente, die nach dem Verlust der
Mitte in der Kunst und angesichts des vorherrschenden Manager-Imponiergehabes im echten Leben ("in search of excellence") hochwillkommen sind, gaukeln sie dem Benutzer doch eine Selbstaufwertung vor, die ihm keine
Selbstfindungsgruppe vermitteln könnte. Wer so harmlose Floskeln wie "Ich denke..." oder "Ich denke mal..." oder – noch harmloser – "denke ich einfach mal
" ins Gespräch einflicht, der beweist damit unüberhörbar, dass er zum Volk der Dichter und Denker gehört. Er darf sich im Glanz der Denker sonnen. Denke ich mal. In wessen Redefluß ständig die Floskeln "
einfach" oder "ganz einfach" oder "einfach mal" mitschwimmen, der
bekundet damit Durchblick, Überblick, Überlegenheit. Für andere mag es unklar, nebulös, rätselhaft sein – für mich stellt sich das "einfach so" dar. So wohnt auch dem Beilschen "natürlich
" eine seinem Benutzer wohltuende Portion Selbstaufwertung inne: Indem das "natürlich" jeden jeder Notwendigkeit enthebt, seine
Argumentation zu begründen, gelangt er im Regelfall in die Position des Überlegenen. Man wird dem Verfasser
allerdings zugestehen müssen, dass der zwanghafte Dauergebrauch der Floskel "natürlich" ausgerechnet in
mündlichen Diplom- und Staatsexamina alles andere als überlegen auf ihn wirkt... Ein Kapitel Angeberei für sich steckt hinter dem "letztendlich
"-Virus. Alles und jedes wird letztendlich festgestellt, gedacht, vermutet - und das keineswegs nur am Ende einer Argumentationskette, einer Beweisführung oder als Fazit. Vielmehr heben
immer mehr Zeitgenossen schon im ersten Satz ihrer wenig verheißenden Ausführungen mit "letztendlich" an:
"Letztendlich fühle ich mich als Experte zu folgender Stellungnahme verpflichtet". "Letztlich", "schließlich",
"endlich" – das alles genügt längst nicht mehr. In einer Gesellschaft der Bluffer und Blender mutiert jede
Nichtigkeit durch das "letztendlich" sogleich zur Wichtigkeit. Vorsichtshalber sei angemerkt, dass nicht der
Begriff "letztendlich" als solcher hinreichend Anlaß zur Aufregung böte. Mit ihm könnte man ganz unaufgeregt
leben, wenn er hier und da eher versehentlich einmal auftauchte. Niemand ist – natürlich - perfekt. Aber die
ungebremst rotierende Letztendlich-Gebetsmühle? Erinnern Sie sich noch an die längst vergangenen Zeiten, in denen weniger geschulte Menschen keine drei ordentliche Sätze zustande brachten, weil Ihnen die Ääähs und
die Öööhs die Zunge lähmten? Ääähs und Öööhs verrieten einst eine Menge, sie entlarvten die stammelnden Gedankenbröckchensammler. Politisch total inkorrekt. Und heute? Die Ääähs und Öööhs sind fast
verschwunden - nicht weil die Neudeutsch sprechende Menschheit insoweit geläutert wäre. Vielmehr ist an ihre
Stammelstelle - gleichfalls epidemisch, natürlich - etwas offenbar ganz Feines getreten, nämlich ein US-Import: das "Aaahm
". Aaahm schmückt ungemein. Aaahm ist global. Aaahm ist echt
mega-in. Ohne Aaahm kein Small talk unter den
Start-ups, den Sportfeunden und den voll Durchgestylten. Ich denke mal - aaahm -, es liegt
irgendwie daran, dass nicht nur möglichst viele
Aaahms, sondern auch möglichst weltläufig artikulierte Aaahms gesellschaftlich ganz einfach heben.
Zum zweiten ist die Herkunft, ist der Herd des Sprachvirus so gut wie nie festzustellen. Manch alte deutsche, gar
altdeutsche Wendung ist aus der Literatur vertraut, wurde über Jahrzehnte nicht (mehr) verwendet, und plötzlich taucht sie in jedem dritten gesprochenen Satz auf: "eh", "halt
", "eben" usw. Wer damit angefangen hat, bleibt meist verborgen. Nur selten läßt sich eine Spur zurückverfolgen, wie zum Beispiel die erwähnte schöne Redewendung "Ich denke, dass
...", die unser damaliger Bundespräsident Ende der 80er Jahre in Umlauf brachte. Heute denken fast alle Deutschen, dass... Glauben, meinen oder der Ansicht sein, dass ... ist echt mega-out
. Niemand ist mehr überzeugt, dass ... oder hält dafür, dass ..., noch niemand. Es bräuchte nur ein Parlamentarier seine Fensterrede mit dieser Wendung zu schmücken, dann würden sich schon Nachahmer
finden, und bald würde das halbe Volk dafür halten, dass... Literarisch Sattelfeste mögen bei der Herkunftsuche
der Sprachviren hier eine Spur bei Novalis, dort eine bei Goethe oder bei Heine finden. Der Verfasser steht
jedenfalls vor einem Rätsel, wieso derzeit (fast) die ganze Nation simple Verneinungen in höfisch-literarische Virus-Floskeln
faßt: "nicht wirklich", "nicht eigentlich
". Hatten die Deutschen ein Jahrhundert lang einer Verneinung mit einem klaren, einfachen "nein" Ausdruck gegeben, so kommen sie dieser Tage lieber ein
bißchen unklar und gestelzt daher: "Haben Sie den neuen Mankell schon gelesen?" "Ach, noch nicht eigentlich."
"Hast Du die Aufführung auch genossen?" "Oh, nicht wirklich!" Garantiert spreizen sich Menschen mit solcher
pseudo-literarischer Redeweise immer dort, wo Mikrofone oder Kameras eingeschaltet sind. Überhaupt Rundfunk und Fernsehen! Welch gefährliche Brutstätten für Sprachviren! Was hier produziert und in
millionenfacher Multiplikation unter die Leute gebracht wird, bedürfte eigentlich - natürlich - äußerster Sprachverantwortung. Von wenigen Inseln wie etwa der Tagesschau-Redaktion abgesehen, sind unsere
"Moderatoren" mit Sprachverantwortung leider meist nicht gesegnet. Vor einiger Zeit wäre dem Verfasser in
diesem Genre beinahe die Entdeckung eines Sprachvirus-Herds gelungen, als der Sprecher seines Kölner
Weghör-Deutsch-Rundfunks die Zeitangabe "Es ist zehn bis acht" vermeldete. Ten to
eight. Um Gotteswillen!
Hoffentlich macht der nicht weiter so! Hoffentlich hat das niemand gehört (und subliminal aufgenommen)! Die
Hoffnungen wurden gottlob erfüllt – es ist nicht zur Epidemie gekommen. Noch nicht. Wenn nun nicht ein Leser oder eine Leserin ...
Zum dritten bemerken die Sprechenden die Infektion mit einem Floskelvirus, sein Eindringen den eigenen
Alltagssprachgebrauch selbst nicht. Die Übernahme der Redefloskeln in die persönliche Ausdrucksweise geschieht unterschwellig und bleibt den Benutzern nicht nur anfangs unbemerkt, sondern auch in der folgenden
Phase des zwanghaften Dauergebrauchs. Es vergeht derzeit kaum ein Gespräch im privaten oder öffentlichen Raum (wo Fernseh- und Rundfunkinterviews fast pausenlos Hörbeweise liefern), in dem Menschen nicht
permanent die eine oder andere Floskel wiederholen. Ebenso auffällig wie bedauernswert sind die "halt"-Befallenen, besonders die "halt eben
"-Befallenen. Dass die Erfahrung halt so ist, der Verdienst halt so sein wird und der Spielverlauf halt so gewesen ist, das fällt halt kaum noch einem Zuhörer auf. Wenn in einem
aus nur vier Sätzen bestehenden Gesprächshäppchen neunmal "halt eben" auftaucht, dann bremst kein
aufgebrachter Peymann mit einem "Immer kommen Sie mir mit Ihrem ‚halt eben‘" den Befallenen. Dann denkt
halt eben keiner mehr: Schade, dass die halt-losen Zeiten vorbei sind und dass es kein Mittel gegen den "halt eben"-Virus gibt. Oder so. Oder so?
Auch das so eine ansteckende Floskel, von der sich Befallene nicht befreien können, jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Nicht minder zwanghaft bauen immer mehr Angesteckte auch die Floskeln "in dem Sinn
" und "wie gesagt" in ihren Redefluß ein, ohne dass eine bestimmte Sinnklärung oder eine entsprechende Erwähnung vorangegangen wären. Den Sinn oder das Gemeinte, aber
noch nicht Gesagte muß sich der Hörer halt eben selbst erschließen. Oder ist es nicht gescheiter, die Leute mit
ihrer Papageiensprache ganz einfach nicht mehr beim Wort zu nehmen? Meist besteht gottlob die Möglichkeit, sich aus solchem Geplapper ganz einfach zu verabschieden. Dann bekommt man allerdings
höchstwahrscheinlich als ultimative Virusfloskel mit auf den Weg: "Man sieht sich!"
Zum vierten ist die epidemische Verbreitung alltagsdeutscher Angeberfloskeln offenbar völlig alters- und
schichtenunspezifisch. "Kids" auf der Spielwiese, Hausfrauen und -männer, Sportreporter, Hochschullehrer und
Studenten (nicht nur die sprachlich ebenso auf- wie anfälligen
Be-We-Eller), fast jedermann benutzt die Floskeln,
selbstverständlich immer unbewußt und meist zur aufwertenden Selbstdarstellung. Allenfalls sind jüngere Menschen als early adaptors für Erstinfektionen etwas anfälliger. Sie hat jedenfalls hat ein anderer Sprachvirus
früher als andere Gesellschaftsschichten
erfaßt: Die Bejahung wird nicht mehr durch ein hinreichend deutliches
"ja" ausgedrückt, sondern - völlig im Gegensatz zu der sprachviral aufgeweichten Verneinung - mit Härte und
Wucht, die die Wichtigkeit des zu Beurteilenden wie des Beurteilers unterstreicht. "Du kommst gerade aus
L.A.?" "Genau!!!" "Denkst Du, die Grünen schaffen das?" "Korrekt
!!!" Aber auch bei älteren Menschen und quer durch alle Berufsschichten sind das quasi-militärische "korrekt!" und das hochmodische "absolut!" schon
unterwegs. Das "halt eben" ist im Supermarkt genauso sicher wie das Aaahm in der Kirche. Letztendlich fragt
man sich ganz einfach: Sind wir nicht halt alle eh schon infiziert? Absolut! Gibt es – aaahm – wirklich nichts Natürliches mehr? Korrekt! In dem Sinn!
ã
Hans-Otto Schenk
PS:
Mittlerweile haben die Sprachviren auch das FAZ-Feuilleton infiziert! In der Ausgabe Nr. 114 vom 18. Mai 2002 heißt es auf S. 47 in einer Fernsehkritik zum leicht vertrödelten Krimi-Professor Capellari:
"Nun hat er ja auch eigentlich nicht wirklich etwas zu sagen, er ist halt nur immer im rechten Moment zugegen."
(nach oben)
Der folgende Test bedarf weder besonderer Intelligenz noch
besonderer sprachlicher oder mathematischer Kenntnisse. Er testet
nur das Assoziationsvermögen und die mentale Flexibilität. Die
Lösungen sind immer eindeutig. Was Ihnen nicht sofort einfällt,
kommt bestimmt zu unpassender Zeit. Brüten Sie aber nicht tagelang!
Beispiel
|
1000
|
G in einem KG |
1000 Gramm in einem Kilogramm |
1
|
26
|
B im A
|
|
2
|
7
|
WW
|
|
3
|
12
|
SZ
|
|
4
|
9
|
P im SS
|
|
5
|
19
|
GR im GG
|
|
6
|
0
|
G C i d T b d W g
|
|
7
|
18
|
L auf einem GP
|
|
8
|
90
|
G im RW
|
|
9
|
4
|
Q in einem KJ
|
|
10
|
24
|
S hat der T
|
|
11
|
2
|
R hat das F
|
|
12
|
11
|
S in einer FM
|
|
13
|
29
|
T hat der F i e SJ
|
|
14
|
32
|
K in einem SB
|
|
15
|
64
|
F auf einem SB
|
|
16
|
5
|
F an der H
|
|
17
|
16
|
BL hat D
|
|
18
|
60
|
S s e M
|
|
19
|
3
|
W aus dem M
|
|
20
|
Viele
|
W f n R
|
|
Viel Spaß!
(nach oben)
The new Euro language
The European Union commissioners have announced that agreement has been
reached to adopt English as the preferred language for European
communications, rather than German, which was the other possibility. As part of the negotiations, Her Majesty's Government conceded that
English spelling had some room for improvement and has accepted a
five-year phased plan for what will be known as EuroEnglish (Euro for
short). In the first year, "s" will be used instead of the soft
"c". Sertainly, sivil servants will resieve this news with joy. Also, the hard
"c" will be replaced with "k". Not only will this
klear up konfusion, but typewriters kan have one less letter. There will be growing publik enthusiasm in the sekond year, when
the troublesome "ph" will be replaced by "f". This
will make words like "fotograf" 20 per sent shorter. In the third year, publik akseptanse of the new spelling kan be
expekted to reach the stage where more komplikated changes are possible. Governments will enkorage the removal of double letters, which have
always ben a deterent to akurate speling. Also, al wil agre that the
horible mes of silent "e"s in the languag is disgrasful, and
they would go. By the fourth year, peopl wil be reseptiv to steps such as
replasing "th" by z" and "w" by v. During ze fifz year, ze unesesary "o" kan be dropd from
vords kontaining "ou", and similar changes vud of kors be aplid
to ozer kombinations of leters. After zis fifz yer, ve vil hav a reli sensibl riten styl. Zer vil
be no mor trubls or difikultis and evrivun vil find it ezi tu understand
ech ozer. Ze drem vil finali kum tru!
(Mitgeteilt von Prof. Dr. G. Müller-Heumann, Auckland/NZ)
1961-1963: Der tägliche Weg
des Studis und des Assis von der
Leichardtstraße durch die Boltzmannstraße zu seiner WiSo-Fakultät in
der Garystraße (600 m). Geändert hat sich nur die
Parkplatzsituation. |
Goldene
Zeiten an der Freien Universität Berlin?
Erinnerungen an
meine akademischen Lehrer
Als
Professor im noch frischen Ruhestand bin ich am 27. Mai 2003, nun als
Berlin-Tourist und FU-Alumnus, die leidigen Sparattacken auf die
Freie Universität Berlin im Hinterkopf, noch einmal über den
FU-Campus geschlendert. Seit der Immatrikulationsfeier im
Auditorium Maximum sind fast 45 Jahre verstrichen. Aber wie
lebendig sind plötzlich die Erinnerungen an die Berliner
Studienzeit und an die ehemaligen akademischen Lehrer! Es ist
eigenartig und doch wieder nicht, neigen wir doch alle zur
Verklärung der Vergangenheit: Trotz der mit einem ordentlichen
Studium verbundenen Plackerei an Bibliotheksarbeitsplätzen oder
an der heimischen Schreibmaschine bei der Dahlemer Frau Wirtin
Wundermild, trotz der Kontrollschikanen bei Pkw-Fahrten nach und
von Westdeutschland, trotz der West-Berliner Insellage und trotz
des Mauerbaus, dem man so zornig-hilflos zuschauen musste – es
überwiegen die glücklichen Erinnerungen. Heute kommen mir die
frühen 60er Jahre an der FU wie goldene Zeiten vor, goldene
Zeiten jedenfalls für die meisten der damals erst 10.000 Dahlemer
Studenten. Es werden Erlebnisse wach, denen gegenwärtige
Studierende wohl nicht einmal im Traum begegnen.
Wie üblich, wurden auch
zum WS 1958/59 alle akademischen Neubürger durch Übergabe einer
Urkunde und mit Handschlag durch den Rektor in die akademische
Gemeinschaft aufgenommen. Einige hundert Hände sind schon
geschüttelt, als Magnifizenz Professor Gerhard Schenck, ein
Pharmakologe, zusammenzuckt: Ein Namensvetter, jedenfalls
klanglich, wird aufgerufen. Ein kurzes Innehalten, dann
schmunzelnd seine Ermunterung, unseren gemeinsamen Namen und die
Freie Universität in Ehren zu halten. Eingerahmt in den
musikalisch-festlichen Ein- und Auszug des gesamten Senats – das
sollte der zehn Jahre später so genannte „Muff von tausend
Jahren unter den Talaren“ gewesen sein? – begann das Studium
an der FU jedenfalls festlich und ausgesprochen heiter. Und „überwiegend
heiter“ blieb es bis zum Diplom im Jahre 1962, sechs Jahre vor
den berühmt erfolgreichen Aufmüpfigkeiten der West-Berliner
Studenten.
Wie vertraut sind noch die
Gebäude, vor allem das der WiSo-Fakultät an der Garystraße,
Heimstätte für den damaligen Studenten, später studentische
Hilfskraft und mdWb-Assistent! Die Schwarzen Bretter weisen
allerdings gänzlich neue Dozentennamen auf. Nur Professor Klaus
Peter Kisker, ein ehemaliger Assistentenkollege, inzwischen
ebenfalls emeritierter Professor, bietet noch ein
Wirtschaftspolitisches Seminar über Kapitalakkumulation und
Globalisierung an. Kapitalakkumulation. Aha, ein bei der Fahne
gebliebener 68er!
Wie frisch sind plötzlich die
Erinnerungen an die akademischen Lehr- und Wanderjahre im
damaligen Berlin (West)! Inzwischen selbst mit mancherlei
Erfahrungen aus einer mehrfach reformierten Reformuniversität,
keineswegs nur rosigen, ausgestattet, kommen mir nun vor allem die
kuriosen und kauzigen Erlebnisse mit damaligen FU-Professoren in
den Sinn. (Über das dankbar erworbene und weitergegebene Wissen
ist gar nicht zu reden. Es ist zu reichhaltig). Ob es nur an der
damaligen Perspektive des jungen Studenten liegt oder an den
jüngeren bitteren Erfahrungen mit menschlichem Versagen so
manchen jungen Heißsporns, mit unkollegialen Diskriminierungen
und Intrigen an meiner mehrfach reformierten Reformuniversität
– jedenfalls hinterließen besonders meine „alten“
FU-Professoren, durchweg vom Typus des traditionell humanistischen
Gelehrten, ganz andere, ausgesprochen liebenswürdige
Erinnerungsspuren.
Wie lebendig werden die
Erinnerungen an die anregenden Mini-Seminare des damaligen
Kultussenators Professor Joachim Tiburtius! Dass der
hochangesehene Herr Senator an der FU einen Lehrstuhl für
Binnenhandels- und Sozialpolitik inne hatte, war in der
Bevölkerung sicher kaum bekannt. Für seine barocke Redeweise sog
er in seinen Seminaren Stichwörter stets von winzig kleinen
Notizblöckchen, auf deren Seitchen seine riesenhafte Rundschrift
ineinander floss und deren Lesbarkeit uns Studenten Rätsel
aufgab. Eines Tages gründeten wir eine „Arbeitsgemeinschaft zur
Überprüfung der These, ‚Tibis’ Sätze führten nie zu einem
Ende“. Wir waren so als Hörer mehr mit Satzbau und Grammatik
als mit Semantik beschäftigt. Unser Ergebnis: „Tibis“
hochkomplex geschachtelte Schachtelsätze führten doch immer als
vollständige Sätze zu einem Ende. Wenn nach seinem Seminar kein
Dienstwagen auf ihn wartete – und das kam oft vor –, bat er,
der Hüne, mich, ihn im VW-Käfer zu „seiner“ Deutschen Oper,
zu „seiner“ Philharmonie oder zu irgendeinem Empfang zu
chauffieren. Für den jungen Studenten war das stets eine Ehre,
fahrtechnisch allerdings etwas kompliziert: „Herr Professor,
darf ich bitte den vierten Gang noch mal aus Ihrem Mantel ziehen?“
Irgendwie schien mein schwarzer
Käfer auch dem an Wissen großen, an Gestalt eher kleinen
Friedrich Bülow zu imponieren. Als Nationalökonom wies er uns
Studenten gern auf Georg Simmels Werk „Philosophie des Geldes“
hin, besonders auf das Kapitel über Prostitution. Da Bülow
zugleich engagierter Soziologe war, bat er mich wiederholt, ihn in
langsamer Fahrt durch die Augsburger Straße zu kutschieren. Dort
blühte damals das älteste Gewerbe. Professor Bülow ist aber nie
ausgestiegen auf unseren soziologischen Exkursionen...
Meine statistischen Kenntnisse,
insbesondere zur Konzentrationsmessung, verdanke ich
hauptsächlich Professor Hans Münzner, einem auch fachliterarisch
ausgewiesenen Wissenschaftler. Er litt leider unter einem
Sprachfehler. Und wenn er Riesentabellen aus der Verkehrsstatistik
auf die Leinwand projizierte und die Spalte „Zzzzzzzzulassungspflichtige
Zzzzzzzugmaschinen“ erläuterte, dann zischte es noch
minutenlang furchtbar peinlich zzzzzzzzzz im Auditorium. Hätte
er doch von Traktoren gesprochen! Das hätte vielleicht besser
geklappt. Dass unser Statistiker kein Elfenbeinturm-Gelehrter war,
sondern der Praxis verbunden, konnte ich übrigens des öfteren
feststellen, wenn er sonnabends seine Lottoannahmestelle auf der
Drakestraße aufsuchte. Während meiner Assistentenzeit tauchte am
1. April 1963 seine Sekretärin an „unserem“ Institut für
Volkswirtschaftslehre auf: „Schönen Gruß von Professor
Münzner. Ich soll die Lorenzkurve abholen.“ Im Versteck der
Institutsbibliothek wurden rasch stapelweise schwere „Schinken“
in einem Karton verpackt und der Sekretärin mit einem schönen
Gruß unsererseits mitgegeben...
Zweifellos zählte Erich Kosiol zu
den bedeutendsten Betriebswirten in Deutschland. Selbst das
Audimax konnte nicht alle Hörwilligen fassen. Wie viele andere
habe ich seine pagatorische Buchhaltung nie recht verstanden.
Wahrscheinlich ging es den anderen wie mir: Man wollte sich die
Schau des weißbärtigen „Pagatoren-Ede“ nicht entgehen lassen
und am Semesterende sein Testat stolz nach Hause tragen. Auf dem
Flur im WiSo-Gebäude wurde ich eines Tages Zeuge eines kurzen
Dialogs des berühmten Professors mit einem Studenten. Seine
Antwort auf die studentische Frage lautete: „Ich werde darüber
nachdenken lassen.“ Lassen!
Da mich Professor Tiburtius bald an
seine Forschungsstelle für den Handel wegengagierte, verbrachte
ich nur eine kurze Assistentenzeit bei meinem Lehrer Professor Drs.
Helmut Arndt, einem hochrangigen Nationalökonomen und
Finanzwissenschaftler. Obwohl er sich selbst immer treu geblieben
ist und seine Lehrinhalte im Wesentlichen unverändert blieben,
wurde seine Person für mich ein aufschlussreiches Studienobjekt.
Während meiner Studienzeit war er, der gelegentlich auch
marxistische Ideen behandelte, der „Rote Helmut“. Während der
Assistentenzeit Anfang der 60er Jahre war er der „Scheißliberale“
und Ende der 60er Jahre der „Erzkonservative“.
O tempora o mores! Dass
zu den Assistentenpflichten auch einmal der Wochenmarktbesuch mit
Frau Gemahlin oder das Sofarücken in der Privatwohnung gehörten,
klingt nicht nach goldenem Zeitalter, wurde aber immer positiv
kompensiert. Und dass es hübschen Kommilitoninnen in seinen
mündlichen Prüfungen nicht schlecht erging, lernte ich auch
kennen (ohne es später selbst anzuwenden): „Schönheit muss
auch belohnt werden: Sehr gut.“
Da in den 60er Jahren die
Universitäten, und erst recht eine Freie Universität, noch nicht
„verschult“ und „versäult“ waren, lag sowohl im
Herangeführtwerden an den neuesten Stand der
Volkswirtschaftslehre durch Professor Andreas Paulsen als auch in
den Überschreitungen der eigenen Fachgrenzen, etwa auf die „Die
philosophische Hintertreppe“ von Professor Wilhelm Weischedel,
ein großer Reiz. Egal ob es soziologische Veranstaltungen eines
progressiv-sportlichen Rektors (mit Traum-Mercedes-Cabriolet 190
SL) oder politologische oder amerikanistische Gastvorträge waren
- die Blickfeldausweitungen an der FU passten ideal zu der
besonders offenen Ideenlandschaft des eingeschlossenen
West-Berlin.
Den Horizont des angehenden
Diplom-Volkswirts weiteten sicherlich auch die juristischen
Pflichtveranstaltungen. An die spannenden
Klausurrückgabe-Sitzungen des berühmten Staatsrechtlers und
Vaters der modernen türkischen Verfassungsordnung Ernst E. Hirsch
denke ich nach wie vor mit dem obligaten leisen Zittern; denn dort
wurden gelungene und weniger gelungene Passagen aus den Klausuren
coram publico vorgetragen. Wie zu erwarten, stand unter meiner
Examensklausur der handschriftliche Vermerk „Für ein
Examensemester zu schwach“. Allerdings konnte ich Professor
Hirsch in der mündlichen Prüfung mit überraschenden Kenntnissen
über Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie so begeistern, dass
er alsbald in Kummer verfiel; denn ein Blick auf die schwache „Vornote“
beschied, dass er mir eine „1“ für die Fachnote doch nicht
zubilligen konnte. - Verstärktes Zittern erlebte ich nur einmal,
ausgerechnet in der mündlichen Doktorprüfung. In der ohnehin
ungemütlichen Situation einer Kollegiumsprüfung über vier
Fächer mit drei seltsam neutral bis finster dreinblickenden
Professoren und gottlob wenigstens einer mütterlich-beruhigend
wirkenden Professorin ließ ein Betriebswirt, den die Studenten
wegen seiner Marktforschungsmethoden nur „den Erbsenzähler“
nannten, seinen geballten Zorn an mir aus. Seinen Namen nenne ich
nicht.
De mortuis nihil nisi bene. Aber
man muss wissen, dass besagter Prüfer kurz vor der Prüfung die
wissenschaftliche Leitung meiner Forschungsstelle, verärgert
über irgendwas mich gar nicht Betreffendes, niedergelegt hatte.
Und nun wurde ich in der Prüfung nach Buchungssätzen und lauter
betriebswirtschaftlichem Kleinkram gefragt, nach Kryptischem, das
jeden Buchhalter zur Weißglut reizen würde! Zum Glück hat Frau
Professor Renate Mayntz-Trier in der Kommission eine Katastrophe
abwenden können. Schwere Stunden sind da, um die leichten
schätzen zu lernen.
Umgekehrt musste ich Professor Emil
Dovifat, den Nestor unter den Zeitungswissenschaftlern, einmal in
einige Gefühlswallung versetzen. In seiner Sprechstunde war er,
der gebürtige Kölner, zunächst ganz glücklich; denn nach Art
Professor Higgins’ hatte er sprachlich-klanglich meine bergische
Herkunft exakt erkannt. Als ich ihm meinen damaligen Job als
studentische Hilfskraft bei Professor Bülow mitteilte,
verfinsterte sich seine Miene: „Bülow? Der hat mir in Leipzig
meine Freundin ausgespannt!“ Die Gefühle kamen aber rasch
wieder in (unter-)geordnete Bahnen. Und da ich bei Dovifat u.a.
gelernt habe, dass Nachrichten zum Danach-richten da sind, habe
ich später Professoren nichts mehr über andere Professoren
mitgeteilt. Heute mache ich eine Ausnahme – als Berlin-Tourist
und heiter gestimmter FU-Alumnus. Ich wünsche der Freien
Universität Berlin, ihren akademischen Lehrern und ihren
Studentinnen und Studenten von Herzen wieder goldene Zeiten.
© Hans-Otto
Schenk
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Drei neue City-Center - sofort, später oder...?
Das
Institut für Dämoskopie, Meerbusch/New York, hat Duisburger Bürger
zu den aktuellen Planungen in der Innenstadt befragt. Hier einige
Antworten auf die Frage
"Sie haben doch sicher schon von den drei Projekten Multi
Casa, Forum und Urbanum gehört. Was halten Sie
davon?":
Grete
G., Hausfrau: „Dat versteh ich alles nich. Aber mein Mann meint, da
gibbet demnächs so’n Spielkasino inne Stadt. Darauf is der schon
richtig scharf.“
Giancarlo
C., Müllmann: „Klingt gut! Alles un poco
Italiano. Duisburg bald eine bella cittá. Ich begrüßen. Wird viel
Arbeit geben für Stadtreinigung!“
Prof.
Dr. habil. Heinz-Rüdiger B., Soziologe: „Ich verfolge die Planung
aufmerksam. Sie erinnert mich an das frühsozialistische Konzept der
Phalangen. Vielleicht wird bis zu meiner Emeritierung am 28.2.2015
aber doch noch ein Projekt Realität.“
Johann-Maria
S., Pastor: “Mein lieber Sohn. Mit Luther könnte ich erwidern: ‚Was
soll ich nun hiezu sagen?’ Aber eine konkrete Antwort? Warten wir
mal die nächste Bürgermeisterwahl ab.“
Frank
Z., Webmaster: „Als virtuelle Projekte gefallen mir alle drei ganz
gut. Als reale Projekte würde ich statt Kaufhäuser und Geschäfte
Mehrzweckhallen empfehlen, die man in Internetcafés, Schulen und
Sportstätten umfunktionieren kann; denn bis die drei Projekte fertig
sind, kaufen die Leute eh nur noch im Internet.“
Boris,
Straßenmusikant: „Alles finde gutt, was Menschen auf Keenigstraße
und auf effentliche Platz bringt. Gutt für alle Kollegen auf
Keenigstraße. Gutt für Gitarr, gutt für Klarinettka und gutt für
Balaleika. Private Tschopping Centr mit private Polizei finde nix gut.
Balabala.”
Andrea
L., Buchhändlerin: "Was ich davon halte? Das kann ich Ihnen
sagen. Nur ein kleiner Teil der Menschen würde in das ‚metropolitane
Zentrum’ finden. Das wissen wir von Ute Ehrhardt: Gute Mädchen
kommen in den Himmel, böse überall hin."
Jan
T., Hauptschüler: „Komische Namen. Ich denke einfach mal, da sollen
so neue Event-Shops kommen. Könnte ganz cool werden, wenn da auch
hippe W-LANs und super Skating-Locations sind.“
Gerd
B., ehem. Dezernent: „Lassen Sie mich erst mal die ‚World Games
2005’ über die Bühne bringen. Dann kümmere ich mich um die ‚City
Games Mucafour 2012’!“
Jonathan
D., Generalmusikdirektor: “’Schon davon gehört’ ist gut. Ich
höre nichts anderes mehr als ‚Urbanum’, besonders nachts. Die
Riesenharfe auf dem Bahnhofsvorplatz ist ein gutes Wahrzeichen:
Duisburg – die größte Binnenharfe Europas. Das
Einweihungsprogramm für unsere neue Spielstätte steht übrigens
schon fest: Die Ouvertüre zu Verdis ‚Macht des Schicksals’,
Beethovens ‚Die Wut über den verlorenen Groschen’ und Händels
Konzert für Harfe, Streicher und zwei Flöten.“
Gotthilf
L., Operntenor: „Die Konzerthalle abreißen, dafür unsere Stadt der
Schnäppchenmärkte mit einem Spielkasino und drei neuen
Einkaufsparadiesen beglücken – da kann ich mit dem Bürgermeister
van Bett aus ‚Zar und Zimmermann’ nur sagen: ‚O Donnerwetter!
Was soll das sein? Das begreife ein anderer als ich’.“
Tarek
Y., Taxifahrer: „Finde nich gut. Kommen mehr Leute mit Auto in City,
geben mehr aus für Kaufen, aber weniger für Taxi.“
Dr.
iur. Reinhold R., Rechtsanwalt und Notar: "Mit meinen Partnern
begrüße ich alle drei Projekte. Sie werden unserer Kanzlei gut
tun."
Gabi
G., Putzfrau: "Dat is für mich und mein Gatte kein Thema. Wir
kaufen sowieso nur beim Aldi. Un wenn wir’n Event brauchen, dann
fahren wir für 29 Euro mit’m Flieger nach Nizza oder Alicante.
Dubai soll auch nich schlecht sein, sacht mein Chef."
Kurt
M., Ratsherr (SPD): "Ich habe da eine ganz bestimmte Präferenz.
Aber warten wir mal die Kommunalwahl ab!"
Katharina
B.-K., Ratsfrau (CDU): "Ich habe da eine ganz bestimmte
Präferenz. Aber warten wir mal die Kommunalwahl ab!"
Inga
P.-R., Ratsfrau (Die Grünen/Bündnis 90): "Ich habe da eine ganz
bestimmte Präferenz. Aber warten wir mal die Kommunalwahl ab!"
Klaus-Peter
K., ehem. Ratsherr (FDP): "Ich habe da eine ganz bestimmte
Präferenz. Aber warten wir mal die Kommunalwahl ab!"
Gerlinde
G., Theologiestudentin: „Meiner Meinung nach soll man alles bauen,
was und wenn es den Menschen nützt und nicht nur den Investoren. Aber
man soll nicht überheblich werden. Bei dem geplanten Turmbau am
Bahnhof fällt mir 1. Moses 11 ein: Jahwe strafte die babylonischen
Turmbauer, indem er ihre Sprache verwirrte und sie in alle Lande
zerstreute. Auf dem Bahnhofsvorplatz herrscht jetzt schon ziemliche
Sprachverwirrung...“
Hans-Jürgen
R., IHK-Hauptgeschäftsführer: „Wir haben mit dem Forum die große
Chance, unsere Duisburger Innenstadt qualitativ umzubauen und
vorhandene Defizite im Einzelhandel abzubauen, ohne zugleich einen
großen Teil des jetzigen Handelsbesatzes zu stören.“
Maria
C., Hausfrau: „Ach, wissen Sie, man ist ja flexibel. Meine Schuhe
kaufe ich in Moers wegen der freundlichen Bedienung. Meine Kleider
kaufe ich in Kaiserswerth, während sich ein Wagenmeister dezent um
mein Cabrio kümmert. Meine CDs und Elektrogeräte kaufe ich schon
wegen der Auswahl in Mülheim, und den Kleinkram kaufe ich im CentrO,
wo ich kostenlos parken kann. Drei neue Einkaufszentren in Duisburg?
Also, ich weiß nicht.“
Prof.
Dr. phil. Martin-Immanuel H., Altphilologe: „Welche Projekte Sie
meinen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber die Bezeichnungen finde
ich interessant. Ein ‚Forum’, ein römischer Marktplatz mitten in
Duisburg? Sehr interessant! Und ‚urbanum’, das Städtische in der
Stadt? Müsste man philologisch vertiefen. Und ‚Multi Cassa’
(oder wie meinten Sie?) finde ich besonders bemerkenswert. Werde
darüber nachdenken lassen."
Irmingard
B., Erzieherin: „Ich höre jeden Tag davon. Die Kinder singen mit
großer Freude einen neuen Abzählreim:
Wir fahren mit der Bahn um
Forum und Urbanum
zum Multi Casa-Haus
- und du bist raus!“
Erich
M., Stadtplaner (Träger des Potemkin-Ordens): „Als Befürworter der
Aktion ‚Ab in die Mitte!’ bin ich für alles, was die
Attraktivität Duisburgs steigert. Das kann man aber nicht dem Markt
überlassen. Das geht nur mit zentraler Planung.“
Klaus-Günter
P., City-Marketing: „Als Befürworter der Aktion ‚Ab in die Mitte!’
bin ich für alles, was die Attraktivität der Duisburger City
steigert. Das kann man aber nicht dem Markt oder der zentralen Planung
überlassen. Das geht nur mit Public-Private-Partnership.“
Henrik
S., Unternehmensberater: „Als Befürworter der
Aktion
‚Ab in die Mitte!’ bin ich für alles, was die Attraktivität der
Duisburger City steigert. Das kann man aber nicht der zentralen
Planung oder Public-Private-Partnership überlassen. Das geht nur mit
marktorientierten Unternehmerentscheidungen.“
©
Hans-Otto Schenk
Nachdem drei
überregionale Tageszeitungen die folgende Satire
nicht angenommen haben, kommt sie ins Netz. Wer
suchet, wird finden. Vielleicht sogar die Satire
zutreffend...
Deutsch
als Papageiensprache
Wie
man dem Floskel-Deutsch spielerisch auf die Schliche kommt
Viele
Menschen leiden am Niedergang der deutschen Sprache. Die Überwucherung
mit Fremdwörtern, vor allem mit Anglizismen und rein englischen
Ausdrücken, der falsche Gebrauch der Grammatik, die verwirrenden Folgen
der letzten Rechtschreibreformen – alles das beklagen sie zu Recht.
Gut, vereinzelt mag es vaterländisch eingefärbte Leidende geben, die
deutschtümelnd am liebsten die Sprachentwicklung zurückdrehen und
wieder „Verdeutschungshefte“ unter die Leute bringen würden – wie
1914 der Allgemeine Deutsche Sprachverein in Berlin. Die überwiegende
Mehrzahl der an der deutschen Sprache leidenden Menschen wendet sich
heute indes weder ideologisch aufgeheizt noch weltfremd gegen jegliche
Weiterentwicklung unserer lebenden Sprache. Sie wendet sich gegen
zunehmende sprachliche Nachlässigkeit, die wenn nicht Geringschätzung,
so doch Verständnislosigkeit für das kulturelle Vermächtnis der
deutschen Sprache erkennen lässt.
Die
an zunehmender Sprachverwahrlosung Leidenden überhören, überlesen
oder schlucken die Schlampereien nicht unberührt. Wo es eben geht,
beziehen sie Stellung. Sie bekämpfen sprachliche Nachlässigkeiten und
Fehler offen. Man legt sich öffentlich für den rechten Gebrauch der
deutschen Sprache ins Zeug, in den Feuilletons, in den Schulen, im
Internet, auf einem „Festspiel der Deutschen Sprache“ oder zuletzt
in der Phönix-Sendung am 26.11.2006 in Michael Naumanns Gesprächsrunde
über die „Macht der Sprache“. Das alles ist löblich, auch wenn die
Wirkung gering sein dürfte. Leider ist es unvermeidlich, dass im
öffentlichen Kampf die Sprachdummheiten genannt und damit
weiterverbreitet werden. Das gilt auch für die aufgespießten Beispiele
im vorliegenden Text. (Als ich im WDR-Morgenmagazin eine Zeitansage „Es
ist zwölf bis acht“ vernahm, hoffte ich nur, das möge außer mir
niemand gehört haben. Und nun verbreite ich diese dumme
Sprachschöpfung selbst!). Tragische Züge erhält der Kampf um gutes
Deutsch, wenn offenbar wird, dass Sprachkämpfer, die sich im Besitz der
rechten Sprache wähnen, ihrerseits nicht vor sprachlichen Ausrutschern
gefeit sind. Dann können ehedem gemeinsam Leidende und Frustrierte zu
wechselseitigen Verächtern mutieren.
Beispiele
wie Gründe für den sprachlichen Niedergang weiß jeder Leidende in
Fülle zu berichten. Die Beispiele sind inzwischen in wahren
Bücherbergen angehäuft. Man ist ja dankbar, dass sprachlich
aufklärende Schriften wie die von Sebastian Sick Millionenauflagen
erreichen. Nur – es ändert sich herzlich wenig, jedenfalls nicht „in
die richtige Richtung“. Nun soll die Beispielreihe nicht, verkniffen
wie üblich, fortgesetzt werden. Vielmehr sei ganz heiter auf einen
wenig beachteten, psychologisch begründbaren Aspekt des Niedergangs der
deutschen Sprache hingewiesen: die ungemein rasche subliminale
Verbreitung von Sprachschlampereien. Diese neueste Variante epidemisch
sich verbreitender massenhafter Spracherkrankung sei behelfsweise als Papageiendeutsch
bezeichnet: Wohin man hört oder sieht, überall und zunehmend begegnet
man einem unbedachten Nachplappern von Floskeln. Dabei macht jede
Floskel für sich noch kein schlechtes Deutsch aus. Allein ihr
unablässiger und unbewusster Gebrauch weist ihre Verwender als Menschen
aus, die sich kaum, nicht hinreichend oder gar nicht mehr der Mühe
sorgfältiger und präziser Formulierung unterziehen.
Einige
Floskeln gehören durchaus der überkommenen Sprache als nützliche,
bewährte Ausdrücke an (eh, halt, einfach). Andere bieten dem Benutzer
eine unbewusste Selbstwertsteigerung. Man könnte hier auch unfreundlich
von Angebersprache reden. Klingt das „ich denke“ nicht wichtiger als
das „ich meine“ oder das „ich glaube“? (Dem Verlust des „ich
halte dafür“ wollen wir nicht nachweinen. So ist das mit der lebenden
Sprache. Aber eines Tages wird ein Redner auf dem Bildschirm erscheinen,
der „dafür hält“ – und dann werden unsere Papageien auch das
wieder nachplappern!). Entsprechend bemerkt der sich selbst am besten
vermarktende Marketing-Experte, wenn er seine „Marketing-Instrumentarien“
an den Kunden bringen will, nicht, dass das Marketing-Instrumentarium
bereits alle Marketing-Instrumente zusammenfasst. Wurde vor zwanzig
Jahren noch alles Mögliche „auf den Punkt gebracht“, wird heute der
„Fokus“ darauf gelegt. Klingt das nicht wichtiger? Wo das
Sprachgefühl schwindet, da grübelt auch niemand mehr über die
Sinnarmut des angeberischen „letztendlich“ (und das womöglich noch
zu Beginn seiner Ausführungen!). Dass „letztlich“ oder „endlich“
genüge, „fühlen“ die Deutsch-Papageien nicht mehr. Selbst aus
anderen Sprachen werden Unarten übernommen und nach Papageienart
nachgeplappert. Man denke nur an das ehedem gestöhnte Verlegenheits-„Öööh“
oder „-Äääh“. Das war nie schön, erst recht nicht vorbildlich
– aber (leider) deutsch. Heute ersetzen es die modischen
Deutsch-Papageien durch das amerikanische „Aaahm“. Besonders Funk-
und Fernsehsendungen mit täglichen Politiker-Interviews säen eine Saat
aus, die auf fruchtbaren Boden fällt. In kürzester Zeit verbreiten
sich ihre Floskeln. Wiederum völlig unbewusst greifen viele Menschen
solche Sprachhäppchen auf und verwenden sie ohne näheres Bedenken. Es
sei nur an „ein Stück weit“, „in dem Sinn“ oder „an der
Stelle“ erinnert. Geradezu unter einem krankhaften Benutzungszwang
stehen die bedauernswerten Deutsch-Papageien, die keine drei Sätze,
manchmal keinen einzigen, ohne „halt“ oder „halt eben“ zu Ende
bringen können.
Was
tun?
Wenden
wir uns doch einfach – sage ich mal – spielerisch dem
Papageiendeutsch zu! Mit einem Papageiendeutsch-Bingo! mag
jeder prüfen, ob und inwieweit er dem grassierenden Floskel-Deutsch
ausgesetzt ist, also mehr oder weniger schlechtem Deutsch. 25 Floskeln
stellen selbstverständlich (bzw. natürlich oder so) nur eine Auswahl
dar. Und da auch das Papageiendeutsch lebt, mag man die Spielfloskeln
jederzeit durch andere ersetzen. Wer erst einmal mit
Papageiendeutsch-Bingo! begonnen hat, wird rasch merken, dass gute
Deutschredner und -schriftsteller ihm Kreuzchen verwehren. Aber die die
leere neudeutsche Floskelsprache Nachplappernden hat er bald entlarvt.
Nein, spielerisch kann die Welt nicht verbessert werden. Aber das
Sprachbewusstsein. Genau!
Papageiendeutsch-Bingo!
an
der Stelle
|
letztendlich
|
in
dem Sinn
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schon
bereits
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halt
eben
|
einfach
|
in
...
(z.B.
2006)
|
eher
nicht
|
Man
sieht sich!
|
natürlich
|
nicht
wirklich
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Ich
denke,
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echt
...
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Gern!
|
...
oder so
|
-
aaahm -
|
wie
gesagt
|
Korrekt!
|
Absolut!
|
ein
Stück weit
|
diesen
Jahres
|
Fokus
|
weil
das ist ...
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sage
ich mal
|
eh
|
Ach
ja. Ein Bingo!-Spiel gewinnt normalerweise seinen Reiz aus dem
ausgesetzten Preis. Beim Papageiendeutsch-Bingo! gibt es leider
ein Problem. Grundsätzlich müssen Sie nämlich selbst einen Preis
ausloben. Das geht verhältnismäßig reibungslos bei der heimischen
Lektüre und im Pantoffelkino. Wenn Sie allerdings ein Theaterstück,
eine Pressekonferenz, eine Vorlesung oder eine TV-Gesprächsrunde mit
lautem „Bingo! Papagei!“ verlassen, kann es teuer werden...
Spielregel:
Wann
immer Sie während eines Vortrags, einer Reportage, einer Talkshow,
eines Seminars oder eines Theaterstücks einen der genannten
Ausdrücke hören, kreuzen Sie das entsprechende Feld an! Wenn Sie
horizontal, vertikal oder diagonal fünf Felder mit Kreuzchen
gesammelt haben, stehen Sie auf, schalten Sie ab oder verlassen Sie
die Veranstaltung und rufen Sie laut: „BINGO! Papagei!“
Das
gilt gleichermaßen für das geschriebene Wort. Beim Erreichen von
fünf Feldern mit Kreuzchen rufen Sie laut „BINGO! PAPAGEI!“
und werfen Sie den Text fort!
Variante:
Rufen
Sie laut: „BINGO! PAPAGEI!“, wenn Sie die ersten fünf
Kreuzchen gesammelt haben und beenden Sie sofort das Zuhören oder
Lesen! (Das geht schneller).
Ergebnis:
In allen
drei Fällen haben Sie einen Deutsch-Papagei erwischt, der
angeberisches, modisches Floskel-Deutsch plappert, also schlechtes
Deutsch. Wenn Sie kein Kreuzchen setzen können, haben Sie
es mit einer Person zu tun, die gutes Deutsch spricht oder
schreibt – Deutsch bei vollem Sprachbewusstsein.
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